Best Practices und Implementierung von OT-Sicherheit

Jun 6, 2025 von Stephan Fisher

Die Implementierung einer robusten OT-Sicherheitsstrategie ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess, der sich an neue Bedrohungen, technologische Entwicklungen und sich ändernde regulatorische Anforderungen anpassen muss. Dieser Prozess beginnt mit der Entwicklung einer klaren und umfassenden OT-Sicherheitsrichtlinie, die als grundlegender Leitfaden für alle Sicherheitsmassnahmen dient. Ein essenzieller Bestandteil jeder Sicherheitsstrategie ist die Sensibilisierung und Schulung aller Mitarbeitender, insbesondere jener, die direkt mit OT-Systemen arbeiten. Da viele Angriffe durch menschliche Fehler oder mangelndes Sicherheitsbewusstsein ermöglicht werden, ist eine gezielte Schulung von Technikern, Ingenieuren und IT-Administratoren unerlässlich. Diese Schulungen sollten nicht nur theoretische Grundlagen vermitteln, sondern auch praxisnahe Übungen umfassen, um die Reaktionsfähigkeit in kritischen Situationen zu stärken. Dieser Artikel zeigt auf, wie Sie diese Herausforderungen angehen können.

Regelmässige Sicherheitsüberprüfungen und Incident Response

Ein weiterer zentraler Baustein der OT-Sicherheit sind regelmässige Sicherheitsaudits und Penetrationstests, die helfen, Schwachstellen in Systemen und Prozessen frühzeitig zu erkennen. Diese Überprüfungen sollten sowohl interne als auch externe Bedrohungsszenarien berücksichtigen und durch spezialisierte OT-Sicherheitsexperten durchgeführt werden.

Zusätzlich ist die Etablierung eines Incident-Response-Plans unverzichtbar. Dieser Plan sollte speziell auf die Anforderungen und Besonderheiten von OT-Umgebungen zugeschnitten sein und detailliert beschreiben, wie bei einem Sicherheitsvorfall vorzugehen ist. Besonders wichtig ist es, die Zusammenarbeit zwischen IT- und OT-Teams klar zu definieren, um eine schnelle und koordinierte Reaktion zu gewährleisten. Ein effektives Incident-Response-Programm sollte folgende Elemente enthalten:

  • Frühzeitige Erkennung und Analyse von Vorfällen durch den Einsatz von Intrusion Detection Systemen (IDS) und Security Information and Event Management (SIEM).
  • Eindeutige Eskalationsprozesse, die festlegen, welche Teams oder Personen in welchen Szenarien involviert werden müssen.
  • Kommunikationsstrategien für den Notfall, einschliesslich interner und externer Meldepflichten.
  • Sicherstellung der Betriebsfähigkeit durch Backup- und Wiederherstellungsstrategien, um kritische Systeme schnell wiederherstellen zu können.
  • Security-by-Design: Sicherheit in neuen OT-Projekten von Anfang an mitdenken. Dies bedeutet, dass Sicherheitsaspekte nicht erst nachträglich, sondern bereits in der Planungs- und Entwicklungsphase berücksichtigt werden. Neue OT-Infrastrukturen sollten von Anfang an so konzipiert werden, dass sie den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen.

Die Umsetzung der IEC 62443-Norm: Ein bewährter Fahrplan

Die Implementierung der IEC 62443-Norm ist eine strategische Entscheidung, die eine detaillierte Planung und ein tiefgehendes Verständnis der eigenen Systeme erfordert. Die folgenden Schritte haben sich als bewährter Fahrplan zur erfolgreichen Umsetzung erwiesen:

1. Initiale Risikoanalyse: Erkennen und Bewerten von Bedrohungen

Jede Sicherheitsstrategie beginnt mit einer detaillierten Risikoanalyse, um potenzielle Schwachstellen und Bedrohungen zu identifizieren. Hierbei können bewährte Methoden wie die Bedrohungs- und Risikoanalyse (TARA) angewendet werden, die systematisch Risiken bewertet und deren potenzielle Auswirkungen auf den Betrieb untersucht. Diese Analyse umfasst:

  • Die Identifikation aller kritischen OT-Systeme und ihrer Abhängigkeiten
  • Die Bewertung möglicher Angriffsszenarien und deren potenziellen Schaden
  • Die Analyse der vorhandenen Sicherheitsmassnahmen und deren Wirksamkeit

2. Entwicklung einer Sicherheitsstrategie

Auf Basis der durchgeführten Risikoanalyse müssen klare Sicherheitsziele und Massnahmen definiert werden. Hierbei ist es entscheidend, das Zonen- und Leitungsmodell von IEC 62443 anzuwenden, um industrielle Netzwerke in verschiedene Sicherheitszonen zu segmentieren.

Ziel ist es, Systeme mit ähnlichem Sicherheitsniveau in Gruppen zu unterteilen und kritische Komponenten besonders stark abzusichern. Der Datenverkehr zwischen diesen Zonen wird durch “Leitungen” kontrolliert, die genau definieren, welche Kommunikationswege erlaubt sind und welche nicht.

3. Umsetzung technischer und organisatorischer Massnahmen

Die Sicherheitsstrategie muss sowohl technische als auch organisatorische Massnahmen umfassen:

Technische Massnahmen:

  • Implementierung von Firewalls und Intrusion Detection Systemen (IDS)
  • Einsatz von Netzwerksegmentierung und striktem Zugriffskontrollmanagement
  • Einführung sicherer Authentifizierungsmethoden und Verschlüsselung
  • Regelmässige Software-Updates und Patch-Management

Organisatorische Massnahmen:

  • Etablierung von Sicherheitsrichtlinien und Compliance-Vorgaben
  • Regelmässige Schulungen und Sicherheitsworkshops für Mitarbeiter
  • Notfall- und Wiederherstellungspläne zur schnellen Reaktion auf Cyberangriffe

4. Zertifizierung nach IEC 62443: Ein Nachweis höchster Sicherheitsstandards

Unternehmen, die sich für eine Zertifizierung nach IEC 62443 entscheiden, demonstrieren, dass sie höchste Sicherheitsstandards in ihren OT-Systemen einhalten. Dies stärkt nicht nur das Vertrauen von Kunden und Geschäftspartnern, sondern bietet auch einen klaren Rahmen für kontinuierliche Sicherheitsverbesserungen. Die Zertifizierung kann für verschiedene Ebenen erfolgen:

  • Hersteller von industriellen Steuerungssystemen können ihre Produkte nach den Anforderungen der Komponentenebene (Teil 4) zertifizieren lassen.
  • Betreiber und Systemintegratoren können ihre Prozesse und Sicherheitsarchitekturen nach den Systemanforderungen (Teil 3) überprüfen lassen.

5. Kontinuierliche Verbesserung: Cyber-Sicherheit als dauerhafte Aufgabe

Cybersicherheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der regelmässige Überprüfungen und Anpassungen erfordert. Dazu gehören:

  • Laufende Sicherheitsüberwachung durch SIEM-Systeme und Bedrohungsanalysen
  • Regelmässige Updates der Sicherheitsrichtlinien basierend auf neuen Bedrohungen
  • Erfahrungsaustausch mit der Sicherheitscommunity, um Best Practices zu übernehmen und neue Angriffsmethoden frühzeitig zu erkennen

Nachhaltige OT-Sicherheit durch einen systematischen Ansatz

Die erfolgreiche Implementierung von OT-Sicherheit erfordert eine langfristige Strategie, die technische, organisatorische und regulatorische Aspekte miteinander verbindet. Unternehmen müssen Sicherheitsmassnahmen kontinuierlich anpassen, Bedrohungen überwachen und ihre Mitarbeiter regelmässig schulen, um die Sicherheit ihrer OT-Systeme zu gewährleisten.

Die IEC 62443-Norm bietet einen strukturierten Rahmen für diese Herausforderung und hilft Unternehmen, Sicherheitsmassnahmen systematisch zu planen und umzusetzen. Durch einen ganzheitlichen Ansatz, der präventive, detektierende und reaktive Sicherheitsmassnahmen kombiniert, können Unternehmen ihre industrielle Infrastruktur effektiv schützen und ihre Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-Bedrohungen langfristig stärken.

Gerne unterstützen Sie unsere OT-Sicherheitsexperten bei Fragen rund um den IEC62443-Standard sowie Fragen rund um OT-Security. Weitere Informationen finden Sie auf unserer OT-Security-Seite. Wir beraten Sie kompetent und unverbindlich – Kontaktieren Sie uns jetzt.



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